12.09.2013 Berlin/Düsseldorf – Angesichts des drohenden Mangels an Pflegekräften will Deutschland in zahlreichen Ländern Personal anwerben. Noch in diesem Jahr seien in Spanien sieben Veranstaltungen im Gesundheitsbereich geplant, um Fachkräfte anzuwerben, hieß es in einer am Mittwoch bekannt gewordenen Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion. SPD und Linkspartei kritisierten die Abwerbeaktionen, da das Knowhow den Herkunftsländern verloren gehe.
Bei der Gewinnung von Pflegekräften seien Spanien, Griechenland, Italien und Portugal als „Hauptzielländer“ identifiziert worden, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage des Linken-Abgeordneten Niema Movassat, über die am Mittwoch zuerst die "Rheinische Post" berichtet hatte.
Die Bemühungen konzentrierten sich auf EU-Staaten, in denen aufgrund der dortigen Arbeitsmarktsituation ein entsprechendes Potenzial an arbeitssuchenden Bewerbern vorhanden sei. Auch in Serbien, Bosnien-Herzegowina, Tunesien und den Philippinen hat die Bundesregierung den Angaben zufolge Absprachen über die Vermittlung von Pflegekräften getroffen.
Auch mit der chinesischen Arbeitsverwaltung bestehe ein Abkommen über ein Projekt, durch das 150 chinesische Pflegekräfte nach Deutschland vermittelt werden sollen. Im Rahmen eines Pilotprojekts des Bundeswirtschaftsministeriums werden auch 100 vietnamesische Krankenpfleger in Deutschland zu Altenpflegern umgeschult.
Ende 2011 waren in Deutschland insgesamt 2,5 Millionen Menschen pflegebedürftig. Derzeit fehlen rund 30.000 Pflegekräfte, im Jahr 2030 könnte diese Zahl Studien zufolge sogar auf bis zu eine halbe Million anwachsen. Die Sozialdemokraten wollen den Beitragssatz zur Pflegeversicherung anheben, um die Einstellung von 125.000 zusätzlichen Pflegekräften finanzieren zu können. Auch die Union will den Beitrag erhöhen.
Die Linkspartei warnte in ihrer Anfrage vor negativen Auswirkungen der Anwerbeaktionen auf die Herkunftsländer der Pflegekräfte. Die Bundesregierung konterkariere mit ihrer Strategie in einigen Entwicklungsländern den Aufbau funktionierender Gesundheitssysteme vor Ort, den sie selbst in ihrer Entwicklungsarbeit als Ziel formuliere, kritisierte Movassat. Er forderte zudem eine bessere Wertschätzung für Pflegeberufe: Statt zu den gleichen schlechten Konditionen ausländische Arbeitskräfte in der Pflege- und Gesundheitsbranche auszubeuten, müssten die Arbeitsbedingungen hierzulande dringend verbessert werden.
SPD-Vize Manuela Schwesig kritisierte das Werben der Bundesregierung um ausländische Pflegekräfte als „Bankrotterklärung“. Schwarz-Gelb habe vier Jahre lang nichts für die Pflege getan, die jetzigen „halbgaren Bemühungen“ seien nichts als „Fassadenmalerei kurz vor der Bundestagswahl“.
Ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bekräftigte in Berlin, die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland sei „ein wichtiger Baustein“ der Ausbildungsstrategie in der Altenpflege. Er verwies zudem auf Aussagen Bahrs, der Kritik zurückgewiesen hatte, dass Deutschland damit den Pflegenotstand in andere Länder exportiere.